Strom im Überfluss? So verwandeln Schweizer Stauseen Energie in bares Geld (und bald in Bitcoin?)
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Wenn in der Schweiz der Strom im Überfluss produziert wird – sei es durch Windräder in Norddeutschland, französische Atomkraftwerke oder die Solaranlagen im eigenen Land – dann kommen die Schweizer Stauseen ins Spiel. Was auf den ersten Blick paradox wirkt, ist in Wirklichkeit ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Wasser, Schwerkraft und Elektrizität. Die Speicherwasserkraftwerke der Schweiz verwandeln überschüssigen Strom nämlich in eine unsichtbare Reserve – sie „lagern“ ihn gewissermaßen als potenzielle Energie.
Das funktioniert so: In Zeiten von Stromüberfluss, etwa an sonnigen oder windreichen Tagen, wird Strom genutzt, um Wasser aus tiefer gelegenen Becken in höher gelegene Stauseen zu pumpen. Dieser Vorgang nennt sich „Pumpspeicherung“. Die dafür nötigen Pumpen laufen mit dem billigeren Stromüberschuss, den der Markt zu diesen Zeiten gerade nicht braucht. In dieser Phase ist die Schweiz also nicht Stromexporteur, sondern Stromspeicher. Das Wasser bleibt dann in den Höhenlagen gespeichert – manchmal tagelang, manchmal über Wochen hinweg.
Sobald der Strombedarf wieder anzieht – etwa an windstillen Tagen, in kalten Winternächten oder wenn in anderen Ländern das Stromangebot knapp wird – lassen die Betreiber das zuvor hochgepumpte Wasser wieder nach unten fließen. Dabei treibt es Turbinen an und erzeugt Strom, der dann gewinnbringend ins Netz eingespeist werden kann. Diese Methode ist nicht nur effizient, sondern auch wirtschaftlich interessant. Denn der in Hochpreisphasen erzeugte Strom lässt sich deutlich teurer verkaufen als jener, der in Zeiten von Überfluss billig eingekauft wurde.
Dieses System macht die Schweizer Alpen zu einem der größten „Strombatterien“ Europas. Kraftwerke wie Grimsel, Linth-Limmern oder Grande Dixence dienen dabei als zentrale Knotenpunkte im Stromhandel des Kontinents. Sie sorgen für Netzstabilität, gleichen Schwankungen aus und helfen sogar dabei, die Energiewende in Europa voranzutreiben.
Doch diese Rolle bringt auch Herausforderungen mit sich: Der Klimawandel führt zu veränderten Niederschlagsmustern, schmelzenden Gletschern und sinkenden Wasserreserven. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Speicherlösungen rapide an, weil immer mehr erneuerbare Energie ins Netz eingespeist wird – oft unregelmäßig und wetterabhängig.
Trotzdem zeigt das Schweizer Modell eindrucksvoll, wie sich Überfluss in Vorrat verwandeln lässt. Die Stauseen der Eidgenossen sind längst mehr als idyllische Landschaftsmerkmale – sie sind hochmoderne Speicherinstrumente im Dienst eines nachhaltigen Energiesystems.
Ein Sonnenfloss in den Alpen: Die Schweiz setzt auf schwimmende Solarenergie im Gebirge